Beiträge von Calaverita

    Es ist dunkel in Orgrimmar und das Hauptquartier der Garde schon still, bis auf die leisen scharrenden Schritte eines Wichteldämons. Die kleine, zierliche Gestalt die er verfolgt tritt so leise auf, dass man sie für ein Gespenst halten könnte mit ihrer blassen Haut und den weiß-bläulich schimmernden Haaren. Fast farblose Augen glänzen im Licht einer Kerze, die einen matten Schein an die hohen Wände der Eingangshalle wirft. Kurz blitzt der blutrote Anhänger auf, der an einem vollständig geschlossenen silbernen Reif um ihren Hals liegt. Der Dämon bemerkt das Schmuckstück zeigt ein zufriedenes Grinsen.
    Die Elfe steuert auf den Eingang zu, neben dem noch ein Putzeimer mit schleimigem Wasser steht. In der einen Hand die Kerze nimmt die Elfe mit der anderen Hand den Eimer auf und trägt ihn raus um ihn dort auszuschütten. Blubbernd versickert die Flüssigkeit vor der Treppe im Sand. Zufrieden trägt sie das leere Gefäß wieder hinein und stellt es zu den anderen Arbeitsgeräten. Damit ist wirklich alles erledigt. "Jetzt gibt es nichts mehr, das den Herrn verärgern könnte", flüstert sie mehr zu sich selbst als zu ihrem Begleiter und bläst die Kerze aus.
    Sie hat sich das Bett ausgesucht, das sich schon halb unter der großen Treppe befindet. Mit dem Kopf in Richtung dieser Treppe legt sie sich hinein und kuschelt sich in die Decke. So sicher hat sie sich lange nicht gefühlt. Einen letzten Blick voll Dankbarkeit wirft sie dem Dämon zu, der neben ihrem Fußende stehend wacht, dann schläft sie ein.
    Das ist Sasoi. Ab heute ist sie im Dienst der Garde und etwas besseres konnte ihr nicht passieren, glaubt sie.

    Etwa eine Stunde vor dem Morgengrauen wurde Edgar von einem dumpfen, scharrenden Geräusch geweckt. Vorsichtig hob er Catrinas warmen Kopf von seinem Bein, schob ein Kissen darunter und legte ihr die Kette um, die ihr im Schlaf aus der Hand gerutscht war. Besorgt stellte er fest, dass ihr Haar im Nacken ganz nass war und auch ihr Gesicht verschwitzt aussah. Hoffentlich hatte nur die Anstrengung der letzten Tage das Fieber verursacht, dachte er.
    Das Geräusch kam aus dem Schlafzimmer. Edgar lief ein Schauer über den Rücken. Er sah sich um, holte sich ein Schwert, das zur Dekoration an der Wand über dem Teewagen hing und horchte an der Tür. Im Schlafzimmer lief jemand herum. Ruckartig stieß Edgar die Tür auf. Er traf nicht damit, dazu war die Gestalt noch zu weit weg. Immerhin hatte er dafür gesorgt, dass der Knall mit dem die Tür nun vor die Wand schlug für einen Überraschungseffekt sorgte. Das Bett war zerwühlt, die Laken teilweise bis auf den Boden geschleift und Blut besudelte alles, woran sich der Leichnahm abgestützt hatte. Mit stumpfem Gesichtsausdruck sah Javier zur Tür. Edgar machte einen kleinen Schritt zurück und hob das Schwert. „So trittst du ihr nicht unter die Augen, Unheiliger“, flüsterte er. Javier löste schwerfällig den Blick von der Stelle an der die Klinke eine Schramme in der Wand verursacht hatte, schlurfte auf Edgar zu, schlug bereits auf halbem Wege mit den Armen um sich und zerbrach einen Standspiegel. Eine große Scherbe ragte aus dem Rahmen. Das Monster griff danach um sie herauszureißen. Es schnitt sich fast den kleinen Finger ab aber im zweiten Versuch löste sich das Glas aus dem Holz. Lächerlich langsam kam der Leichnahm so bewaffnet auf Edgar zu, der sich jedoch nicht täuschen lassen wollte. Beherzt schwang er das Schwert auf Javiers Oberkörper zu, konnte ihn jedoch nur streifen, weil es dem untoten Schwiegersohn gelang auszuweichen und sich auf Edgar zu stürzen, der ihn von sich stieß. Unglücklicherweise verfehlte die unterarmlange Glasscherbe trotzdem nicht ihr Ziel. Glühender Schmerz in seiner rechten Seite ließen Edgar aufschreien. Er schalt sich im selben Moment dafür, weil hinter ihm Catrina aufwachte. Sie durfte das nicht mit ansehen und Javier stand wieder bereit zum nächsten Schlag auszuholen. Mit der Spitze voran rammte Edgar das Schwert nach vorn. Er traf Javiers Herz, riss die Klinge zurück und schlug dann dem Untoten den Kopf von den Schultern. In der gleichen Bewegung drehte er sich um. Im Türrahmen tauchte Catrina auf, fassungslos mit weit aufgerissenen Augen. „Nein“, flüsterte sie zuerst und wiederholte das Wort dann bis es in einem schrillen Schrei endete. Edgar ließ das Schwert sinken. Mit dem Blut schien auch sein Bewusstsein aus der Wunde an seiner Seite zu strömen. Er brach zusammen. Zurück blieb Catrina, deren Schrei in ein Husten überging. Blut quoll aus ihrem Mund, sie stolperte auf ihren toten Vater zu, sackte neben ihm auf die Knie und schloss ihm die Augen. Dann setzte sie mit dem Schwert ihrem Leben selbst ein Ende.

    Edgar musste sich vor der Tür verabschieden. Erst als seine Schritte im Gang verklungen waren legte Catrina die Hand auf die Klinke. Sie betrat den hellen Salon aufrecht mit einem künstlichen Lächeln auf dem Gesicht. Der junge Mann der sie erwartete entsprach nicht ihrer Vorstellung. Er sah seinem Vater überhaupt nicht ähnlich, war schlicht gekleidet und trug keinen Schmuck. Mitten im Raum blieb Catrina stehen und sah ihn sich von Kopf bis Fuß an. Sein Körper war schlank und leicht trainiert, die Haut braun von der Sonne und sein Gesicht umrahmt von schwarzem Haar. Wieso sah er sie mit seinen dunkelgrünen Augen nur so amüsiert an? „Miss Catrina Winter nehme ich an?“, fragte seine samtige Stimme. Da fiel ihr auch auf was ihn belustigt haben musste. Ihre Maske war dahingeschmolzen aber darunter war nichts mehr übrig von Abscheu und Ärger. Catrina grinste wie ein kleines Mädchen! Schnell sah sie zu Boden und machte einen Knicks. „Ja, Herr, das bin ich.“ Er trat auf sie zu und nahm ihre Hand. „Angenehm“; sagte er „ ich bin Javier... Aurelio Perez.“ Wie ungeschickt ihm der vollständige Name über die Lippen kam, die kurz darauf Catrinas Handrücken flüchtig zu einem Kuss berührten. Sie versuchte, sich zusammenzunehmen und sah ihm wieder ins Gesicht. „Wollen wir nicht diese schrecklichen Floskeln überspringen die man zweifellos auch dir eingeschärft hat bevor du herein gekommen bist?“, fragte er nun beinahe unverschämt. Sie war mehr als überrascht. Sollte ihm diese Ehe am Ende auch aufgedrängt worden sein wie ihr? „Edgar hat nichts dergleichen getan aber ja, lassen wir es“, stammelte sie verlegen. Der Schwindel kehrte zurück. In Gedanken verfluchte sie das Korsett aber diesmal war es nicht der Grund für ihr seltsames Gefühl. Sie war jung und konnte es nicht besser wissen.
    Er ließ ihre Hand nicht los sondern zog sie stattdessen zur Tür am anderen Ende des Raumes, die in den Garten führte. „Du kannst mich einfach Javier nennen. Gehen wir ein Stück spazieren. Ich will nicht, dass man uns vom Nebenraum her zuhört.Wer ist Edgar?“ „Mein Ziehvater“, sagte sie. Ohne Protest folgte Catrina ihm auf den mit kleinen Steinen ausgestreuten Weg. Javier bot ihr seinen Arm an und sie legte eine zitternde Hand darauf. Langsam gingen sie an den mit bunten Blumen bepflanzten Beeten vorbei auf die Wiese. Das war er nun also. Diesen Mann sollte sie heiraten und es kam ihr viel weniger schlimm vor als in den letzten Wochen. Er begann ihr zu erzählen, wie viel Angst er gehabt hatte, nachdem sein Vater ihm die Nachricht zukommen ließ er solle heiraten. Die beiden begannen eine Unterhaltung die sich bis in den Nachmittag fortsetzte. Catrina erfuhr, dass Javier ein Haus in Lordaeron besaß und dort eine kleine Bibliothek leitete. Es sei sein Wunsch gewesen, denn er liebe Gedichte. Darin fanden sie ihre größte Gemeinsamkeit. Je mehr sie sprachen, umso mehr kam Catrina alles aufregend und wunderbar vor. Die Luft roch nach Abenteuern, das Sonnenlicht wurde strahlender und der fremdartige Klang den auch Javiers Sprache hatte verwandelte sich Musik. Auf einmal zog er sie erneut mit sich in den Schatten eines großen Baumes. „Es gefällt mir nicht, dass ich eine Frau heiraten soll, die ich nicht liebe“, sagte Javier. Der Satz versetzte Catrina einen Stich und trübte für einen Moment ihre mädchenhafte Schwärmerei für ihn. Doch sein Lächeln erlosch nicht. Er zog sie in seinen Arm und küsste sie ohne zu fragen für eine lange Minute. Danach schwebte eine unausgesprochene Erkenntnis zwischen ihnen in der Luft. Wie wahrscheinlich war es, dass eine arrangierte Ehe so beginnt? Catrina lächelte, hob den Saum ihres Kleides an und lief zurück zum Haus. Sie hatte sich zum ersten Mal verliebt und Edgar sollte wissen wie glücklich sie war.


    Edgar klopfte an die schwere Eingangstür zur Bibliothek seines Schwiegersohns. Bald darauf öffnete ihm Catrina. Ihr Gesicht war bleich, das Blau ihrer Augen schien durch die Schatten darunter zu einem eisigen Grau getrübt. Das Blut auf ihrem Kleid verriet Edgar, wie schlimm es um Javier stand. Sie schüttelte nur müde den Kopf und ließ Edgar eintreten. Erst im Schlafzimmer angekommen flüsterte sie: „Ach Ed... Väterchen, was soll ich nur ohne ihn?“ Edgar konnte keine Antwort darauf geben. Er kannte den Schmerz nur zu gut und die Trauer um seine Evelyn war niemals ganz aus seinem Leben verschwunden. Auf dem Bett sog Javier unter größter Anstrengung immer wieder Luft in seine Lungen. Er kämpfte obwohl es keinen Zweck mehr hatte. Sein Mund und das Kissen waren Blutverschmiert. Vorsichtig setzte Catrina sich neben ihn, da bekam er wider einen schrecklichen Hustenanfall. Um wenigstens etwas tun zu können trat Edgar heran und schlug ihm die Decke bis auf Hüfthöhe zurück, damit ihm der Stoff nicht so schwer auf der Brust lag. Seine Haut war über und über mit schwarzen Flecken bedeckt. Tränen stiegen in Catrinas Augen auf und tropften auf das schmerzverzerrte Gesicht. Sie schüttelte sacht den Kopf als Javier etwas sagen wollte und küsste ihn auf die Stirn. Er schloss die Augen und seufzte ein letztes Mal, dann lag sein Körper regungslos.
    Edgar zog seine Ziehtochter weg von dem Leichnam ins Nebenzimmer. Er hielt sie im Arm, bis ihre Tränen versiegten. Es dauerte nicht lange denn sie hatte es schon vor mehreren Tagen gewusst und fast nur noch geweint. Aus Angst um ihren Mann und auch um sich und ihren Vater, wie sie Edgar nach Jahren so weit von ihrer Heimat entfernt endlich nannte. Javiers Eltern waren vor einer Woche gestorben, überall im Land wütete die Pest. Wahrscheinlich gab es in ganz Lordaeron niemanden mehr, der keine Toten zu betrauern hatte und es war fast unmöglich geworden, sich von der Seuche fern zu halten. „Was sollen wir tun? Sie lassen uns nicht aus der Stadt heraus. Wir könnten uns vielleicht retten! Bisher sind wir doch gesund, wieso wollen sie uns hier dem Tod aussetzen?“ Catrinas Fragen waren die gleichen, die Edgar sich selbst immer wieder stellte, seit die Katastrophe über sie herein gebrochen war. Zu Anfang waren ab und zu Familien aufgebrochen um zu flüchten. Dann hatten Wachen damit begonnen die größeren Städte abzuriegeln, um die Pest aufzuhalten. Seitdem gingen auch Gerüchte um. Opfer der Krankheit sollen nach ihrem Tod wieder auferstanden sein, hieß es. Edgar hielt das zunächst für ein Hirngespinst aber mittlerweile war er sich nicht mehr sicher. Er wollte Catrina danach fragen, hielt es jedoch für klüger es nicht zu tun. Stattdessen fragte er: „Möchtest du, dass ich heute Nacht hier bleibe?“ Sie setzten sich auf eine breite, mit weichen Kissen ausgestattete Bank. „Ja, bitte bleib hier. Es ist mir unheimlich mit ihm allein“, sie deutete mit dem Kopf in Richtung Javiers. Es war schon spät. Den Totengräber konnten sie auch noch am Morgen holen also legte Edgar sich ein Kissen in den Rücken und lehnte sich an die Wand. Wie sie es als Kind getan hatte, legte sich Catrina neben ihn, mit dem Kopf auf seinem Knie. Sie schwieg. „Du musst keine Angst vor dem Tod haben. Soll ich dir etwas erzählen?“, fragte Edgar und fuhr nach einem Nicken als Antwort fort: „Kurz nachdem Evelyn starb besuchte mich ein Freund aus meiner Jugend. Er sprach lange mit mir darüber und hat schließlich etwas sehr kluges formuliert. Nur die Vergänglichkeit lässt uns die Dinge schätzen, die wir lieben. Würde unser Glück ewig andauern, dann hätte es keinen Wert.“ Er zog eine silberne Kette über den Kopf. Den Anhänger, den er unter seinem Hemd herausholte, kannte Catrina nur zu gut aber sie hatten nie darüber gesprochen, wieso er ihn eigentlich trug. „Jona, so hieß mein Freund, schenkte mir das hier. Es sollte mich immer auf die kurzen Momente im Leben hinweisen, die mich mit Glück erfüllen, obwohl ich weiß sie sind bald schon vorbei. Das, sagte er, würde mich ermahnen sie zu genießen und fest in Erinnerung zu behalten. So werde selbst der Tod zu etwas schönem. Er beendet unseren kurzen Moment, den wir auf der Welt verbringen dürfen und lässt uns gleichzeitig wissen, dass wir aus diesem Leben das beste machen sollen, egal was passiert. Wir werden es schaffen und es wird auch wieder Glück in deinem Leben geben.“ Edgar reichte die Kette seiner Tochter. Sie nahm den Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn genau. Es war ein kleiner, silberner Totenschädel. In seine Augenhölen waren winzige Diamanten eingefasst die schon beim kleinsten Lichtstrahl blitzten und funkelten. Außerdem schien der Schädel zu lächeln. Catrina musste ebenfalls lächeln und sah wieder zu Edgar auf. „Behalt ihn“, sagte er. Sie saßen noch eine Weile schweigend bis sie schließlich einschliefen.

    Edgars Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er durch die Hintertür das Zimmer seines Schützlings betrat. Catrinas Habseligkeiten befanden sich alle in schweren ledernen Koffern. Mit hängenden Schultern saß das Mädchen da und kam Edgar in dem kahlen Raum ganz verloren vor.
    Eigentlich, so dachte er, war sie doch schon gar kein Mädchen mehr. Trotzdem war es viel zu früh. Er machte sich mit einem Räuspern bemerkbar. Catrina sprang auf und flog ihm in die Arme. Väterlich strich er ihr über den goldblonden, glatten Haarshopf. „Schhh...“, machte er. „Wein nicht Liebes. Ich werde dich begleiten und auf dich acht geben.“ Sie nickte nur stumm an seiner Brust. Was für ein schrecklicher Plan, das Kind so früh zu verheiraten. Edgar hatte die geschäftlichen Entscheidungen seines Herrn selten in Frage gestellt und seien sie noch so kaltherzig gewesen. Diesmal war er jedoch zu weit gegangen. Wenigstens war es gelungen, ihn davon zu überzeugen die arme Catrina als ihr Leibdiener zu begleiten zu dürfen. Für einen alten Mann gab es ohnehin keine Verwendung mehr auf dem Anwesen. Er konnte sich noch an den Tag von Catrinas Geburt erinnern. Die Herrin war dabei verstorben und Evelyn, seine eigene Frau, hatte zwei Tage zuvor eine Totgeburt gehabt. So hatte der Herr sein Kind in ihre Obhut gegeben. Anstelle des Gesindehauses bezog die kleine Familie eine eigene Hütte am Rande des Anwesens und bis auf sporadische Besuche gab es für das Mädchen kaum Kontakt zum leiblichen Vater. Evelyn glaubte zu wissen, der Graf gebe dem Baby die Schuld am Tod seiner Frau. Vielleicht stimmte es aber Edgar war das egal. Sie lebten sehr zufrieden, bis vor vier Jahren schließlich auch Evelyn an einem Fieber starb.
    Vor wenigen Monaten sprach sich herum, Graf Winter habe ein großes Vermögen in etwas investiert und verloren. Für eine große Summe Geld versprach er Catrinas Hand dem Sohn eines früheren Geschäftspartners.
    Heute war der Tag der Abreise da und Edgar war gekommen um die Koffer zu holen, denn in der Eingangshalle wartete ein Stallknecht. Man hatte ihn damit betraut Catrina abzuholen. Ihr zukünftiger Gemahl sei verhindert, teilte der Bursche mit. Vielleicht war es besser so. Der lieblose Abschied aus dem Elternhaus war genug für einen Tag um es zu verkraften. Die viertägige Reise wollte Edgar nutzen, um Catrina zu trösten und auf die bevorstehende Hochzeit vorzubereiten. An eine Flucht hatte er viele Male gedacht. Wie traurig, dass er viel zu gebrechlich war, um die beiden Soldaten zu überwältigen, die neben der Kutsche her ritten.


    Am Himmel ging eine Sonne auf, die auf Catrina den Eindruck machte als gehöre sie zu einer fremden Welt wie alles hier. Die Menschen sprachen mit einer seltsamen Betonung, der Geruch der Stadt war ihr unangenehm, nicht einmal das teure Kleid mochte sie an sich sehen. Dabei stand es ihr ausgezeichnet. Sie selbst war es gewesen, die den hübschen hellgrünen Seidenstoff ausgesucht hatte. Dass sie unter dem Kleid ein Korsett anziehen sollte hatte man ihr vorher nicht gesagt. Um ihren Hals trug sie nun schweres Gold. Sie konnte es nicht leiden, von diesem dekadenten Schund erdrückt zu werden. An ihrem Hinterkopf rupften die Hände einer unbarmherzigen Magd die Frisur zurecht, die Catrinas Augen schmaler werden ließ, so fest war das Haar gesteckt. Ihr wurde schwindelig, deshalb stand sie einfach auf um ein wenig im Kreis zu gehen. Die Parfumwolke, die dabei um sie herum in Bewegung geriet machte es nur schlimmer. Endlich kam Edgar herein um sie zum Salon zu begleiten. Er lächelte sie aufmunternd an. Den Stolz den er beim Anblick seiner wunderschönen Ziehtochter empfand konnte er nicht verbergen. Catrina seufzte und versuchte, ihm zuliebe eine freundlichere Mine aufzusetzen. „Bist du aufgeregt?“, fragte Edgar. „Der junge Herr wartet schon auf dich.“ Sie nickte nur. Ja, er wartete der junge Herr. Auf seinen neusten Besitz den man poliert hatte wie Tafelsilber, damit der erste Eindruck möglichst gut war. „Er macht einen ganz sympathischen Eindruck. Du musst jedenfalls keine Angst vor ihm haben.“

    Die blonde Catrina trägt schwere, mit Rüschen und Stickerei verzierte Kleider. Sie müssen einmal sehr schön und teuer gewesen sein. Seide und Brokat sind aber so verschlissen, dass man am Saum die Unterröcke sehen kann. Einzig der Schmuck der untoten Dame hat seinen Glanz nicht verloren, er wurde gut gepflegt. Besonders blitzt eine Kette hervor, an der ein winziger silberner Totenschädel mit diamantenen Augen hängt. Außerdem besitzt Catrina ein Samthalsband mit einem ovalen Medaillon und einen schmalen Ring.
    Es ist auffällig, wie sehr Euer Gegenüber darum bemüht ist, die leicht lädierten Gliedmaßen zu kontrollieren, um wenigstens den Schein von Anmut zu erzeugen.
    Oft sieht man sie so mit einem kleinen Sonnenschirm spazieren gehen oder in staubigen Gedichtbänden lesen.

    (So weit der Text aus dem FlagRSP. Eine kleine Geschichte folgt :))


    Catrina hat sich bei der Garde als Feldheilerin gemeldet und versteht sich wirklich gut auf dieses Handwerk. Wer untot ist hat aber eine Menge Zeit um einiges mehr zu lernen als nur einen Beruf. Deshalb bietet sie sich ebenso als Näherin an und flickt alles, in das man eine Nadel stechen kann. Eine äußerst fragwürdige Sammelleidenschaft hält sie mehr schlecht als Recht im verborgenen. Es sind jedenfalls keine Münzen unter ihrem Bett versteckt. Es sollen auch schon kürzlich verstorbene Haustiere verschwunden sein nachdem sie in der Nähe war.
    In ihrer Nähe hält sich gelegentlich ein Kätzchen auf, welches auf den Namen Remiendo hört. Es ist offensichtlich untot und von ruhigem Charakter. Wer so viel Langeweile hat Remiendo doch zu beobachten wird ihn sicher einmal erwischen eine ganze Ratte zu verschlingen oder sich mit der putzigen gespaltenen Zunge die Pfoten zu säubern.
    Catrina liebt ihren kleinen Begleiter. Er bekommt mindestens so viel Zuwendung wie ihre Patienten.