Dalaran
Dalaran… Dalaran war für sie eine durch und durch magische Stadt. Gern erinnerte sie sich an die Zeit, als die Garde hier einen Außenposten unterhalten hatte. Man war im Zauberkasten ein und aus gegangen, hatte sich kennengelernt, hatte gefeiert und gelacht. Und natürlich auch Einsätze durchgeführt, aber diese waren verblasst. Unwichtig. Wichtig waren die Begegnungen, insbesondere jene, die ihre Spuren bis ins Jetzt zogen.
Gewissermaßen war Dalaran für sie eine bessere Version von Silbermond. Aufgeräumt, sauber, elegant und durch und durch das, was sie als „schön und ästhetisch“ empfand. Nur eben ohne dieses dräuende Gefühl, welches sie stets durch Silbermond begleitete und sie diese Stadt meiden ließ, wo immer das möglich war.
Das Verlassen ihrer Ruheinsel hatte sie ein weiteres Mal aus dem Gleichgewicht gebracht, und die Tastsache, dass sie nicht auf direktem Wege nach Schattenfang gereist war sprach ganz für sich. Stattdessen befand sie sich abermals in ihren eigenen Fußstapfen, gewissermaßen auf der Jagd nach Erinnerungen.
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Die Sin’dorei ließ ihren Blick über die Kuppeln der Stadt schweifen. Eigentlich hätte es die oberste Plattform in Dalaran sein müssen, aber sie hatte sich seltsam danach gesehnt, all die verschiedene Türme noch im Detail erkennen zu können, weshalb sie einen etwas niedriger liegenden Standort gewählt hatte. Hinter ihr, in der Mitte des Daches, schwang der magische Teppich der sie in so luftige Höhe befördert hatte in sanften Wellenbewegungen knapp über der rauen Oberfläche auf der Stelle. Sie hatte die Stiefel ausgezogen und war mit nackten Füßen über die Schindeln balanciert, bis nach vorn, an die Kante.
Der kurze Blick hinab brachte ein sehr mulmiges Gefühl im Bauch, gepaart mit dem dringenden Bedürfnis, sich irgendwo festzuhalten. Der Boden unter ihr war nur eine Andeutung, und mit viel Konzentration konnte sie dort Wachen sehen, welche ihrer Wege zogen. Es war die Zeit der Dämmerung, und das geschäftige Treiben ebbte nach und nach ab. Sie schob die Beine über den Rand und sog den Anblick in sich auf. Magenta, Violett, gleißendes Weiß. Dazwischen in warmen Gold die ersten Beleuchtungen. Die Erinnerung schlich sich auf leisen Sohlen an, und sie wehrte sich nicht, als die Bilder vor ihrem inneren Auge klarer wurden.
Die Zeit schien langsamer zu laufen je tiefer sie abtauchte. Irgendwann verschwand der leichte kühle Windhauch von ihrer Haut, wurde durch Wärme ersetzt, während sie nach und nach ihre Umgebung ausblendete und sich der Schönheit ergab. Minuten zerrannen zu Stunden, das Violett der Stadt wurde zu einem dunklen Lila, gespickt mit hellen Lichtpunkten. Als Geräuschkulisse gab es nur den Wind, und die feinen Wellen des Teppichs, welcher klang als hätte man ein Kleidungsstück zum Trocknen aufgehängt.
Irgendwann ließ sie sich nach hinten fallen. Ihr Rücken traf sanft auf die Schindeln des Daches, die nackten Füße baumelten über dem Abgrund. Die Arme breitete sie dabei aus, als hätte sie Flügel, deren Federn sie strecken wollte. Dalaran entzog sich ihrem Auge, da waren nun nur noch Wolken. Ein träges Dahinziehen, welches, völlig egal was sie tat oder nicht tat, einfach immer so weitergehen würde, so wie Azeroth weiter existierte, unabhängig von ihr…
Der Wirbel der Erinnerungen legte sich langsam in ihrem Kopf und hinterließ… Frieden. Ein Frieden, in welchem die so notwendige Atemzüge die sie tat fast zum Störfaktor wurden. Und je mehr sie dies störte, umso deutlicher wurde das Locken. Zuerst war es nur eine Randerscheinung gewesen, kaum der Wahrnehmung wert neben der süßen Stille ihrer Gedanken. Allerdings wuchs es, rankte sich erst vorsichtig tastend um ihren Leib, ehe es drängend wurde. Ihr eben noch so ruhiger Atem wurde tiefer, als könnte sie es ausatmen, aber es blieb dort, bis sie nicht mehr still liegen bleiben konnte. Sie stützte sich auf die Ellenbogen hoch, blinzelte, und richtete sich dann gänzlich zum Stehen auf.
Der Abgrund gähnte neben ihr und… sang. Und sie tat diesen einen letzten Schritt und wurde.. schwerelos, fiel durch sich selbst, legte den Kopf in den Nacken und konnte sehen, was sie von sich zurück ließ, während das Geräusch des Windes in ihre Ohren biss. Wieder dehnte sich die Zeit, während ihr Körper von irrwitzigen Mengen Adrenalin geflutet wurde, sich ihre Sinne übermäßig schärften und Nebel wie auch Frieden mit einem Wisch aus ihrem Verstand getilgt wurde.
Eine Stadtwache sah zufällig nach oben, riss erschrocken die Augen auf, stieß gepresst ein „Was zum…?“ hervor und streckte die Hände in Richtung der fallenden Sin’dorei. Das Knistern von Magie peitsche durch die Luft und griff nach ihr. Ein harter Ruck ging durch den schlanken Leib, dessen Geschwindigkeit so abrupt vor dem Boden gebremst wurde, ehe er sanft schwebend mit den nackten Zehenspitzen zuerst in der Weichheit des magischen Teppichs versank. Dieser hatte nur Augenblicke zuvor eine Art Notfallsicherung aktiviert und sich unter der Mieterin platziert, um sie aufzufangen. Aufgeregt verfiel die Stadtwache in einen Laufschritt auf die Elfe zu und alarmierte gleich noch zwei weitere.
Langsam öffnete die Sin’dorei die Augen, griff mit ungelenken, automatisierten Bewegungen nach ihren Schuhen und zog diese ruppig an. Dann sah sie die herannahenden Wachen und folgte blindlings einem Fluchtinstinkt. „Wie ist Euer Name?“ rief man ihr schon fordernd entgegen, während sie sich abwandte und den Teppich in die engen Gassen der Stadt steuerte. Die kleine Verfolgungsjagd endete, als sie sich kurzerhand entschied vom Teppich zu springen und in einem der vielen Schlupfwinkel zu verschwinden, die in die Kanalisation der Stadt führten. Sie hatte bis zu diesem Moment nicht einen einzigen klaren Gedanken gefasst, verschmolz nun mit der vollkommenen Dunkelheit der Unterwelt und verschwand…
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( Nurya
Aus der Tiefe drang herauf
Einer Melodien Lauf
Ein Lied, wie ich es vorher hörte nie
Die Musik ein sanftes Ziehen
Und ich wollte niederknien
In der Tiefe, in der Tiefe sangen sie

Jiastanna
Danke für den Teppich! Wirst du die Klinge sein?
@ L.
Die Wolken sind von dir..
Leben vor Tod.
Nachtrag: Tenebra)